Am Freitag, den 27. März 2020, ist das Coronagesetz in Kraft getreten. Durch das Coronagesetz wird die Regierung ermächtigt, bestimmte Gesetze in eigener Regie zu ergänzen, zu ändern oder außer Kraft zu setzen. Auf dieser Grundlage wurden die Bestimmungen für Gesellschafterversammlungen abgeändert.
Die norwegische Regierung hat angefangen, von der Ermächtigung, die ihr durch das Coronagesetz erteilt worden ist, Gebrauch zu machen. Als eine der ersten Maßnahmen wurden die Bestimmungen über die Abhaltung von Gesellschafterversammlungen in der Aksjeselskap (AS), die mit der deutschen GmbH vergleichbar ist, durch Verordnung (Midlertidig forskrift om unntak fra reglene om fysisk møte i aksjeselskaper og allmennaksjeselskaper som følge av utbruddet av covid-19) abgeändert. Die meisten Tochter- und Joint Venture-Gesellschaften deutscher, österreichischer und Schweizer Unternehmen sind als Aksjeselskap (AS) organisiert, so dass die neuen Bestimmungen auch über die Grenzen Norwegens hinaus von Bedeutung sind.
Gemäß den neuen Bestimmungen gelten für die Abhaltung von Gesellschafterversammlungen folgende Regelungen:
- Der Verwaltungsrat kann festlegen, dass die Gesellschafterversammlung im Wege einer Telefon- oder Videoschaltung oder auf andere zuverlässige Weise abgehalten wird.
- Der Verwaltungsrat hat dafür zu sorgen, dass alle Gesellschafter an der Gesellschafterversammlung teilnehmen und ihre Stimmen abgeben können und dass dies vernünftig kontrolliert werden kann.
- Der Verwaltungsrat kann zulassen, dass Stimmen bereits vor der Gesellschafterversammlung abgegeben werden.
- Der Verwaltungsrat hat außerdem dafür zu sorgen, dass gegebenenfalls der Geschäftsleiter und der Abschlussprüfer an der Gesellschafterversammlung teilnehmen können.
Aufgrund der neuen Bestimmungen ist also nicht mehr erforderlich, dass die Gesellschafterversammlung im Wege eines Treffens der Gesellschafter in der Gemeinde (lies: in Norwegen) stattfindet, in der die Gesellschaft ihre Geschäftsanschrift hat. Das ist der wesentliche Gedanke der neuen Bestimmungen. Zwar war es bislang möglich, dass einzelne Gesellschafter in das Treffen telefonisch, über Videoschaltung oder auf andere zuverlässige Weise hinzugeschaltet wurden. Dies änderte jedoch nichts daran, dass die anderen Gesellschafter an dem Treffen vor Ort teilnehmen mussten. Auf ein solches Treffen vor Ort kann nunmehr also vollständig verzichtet werden. Stattdessen kann die Gesellschafterversammlung rein elektronisch abgehalten werden.
Seit einigen Jahren kann die Gesellschafterversammlung auch im Wege des Umlaufverfahrens abgehalten werden. Dies erfordert jedoch, dass dem kein Gesellschafter widerspricht und dass weder ein Verwaltungsratsmitglied noch gegebenenfalls der Geschäftsleiter und der Abschlussprüfer die Abhaltung einer klassischen Gesellschafterversammlung verlangen. In der Praxis funktioniert das Umlaufverfahren daher nur dann völlig problemlos, wenn das Verfahren im Vorfeld mit allen Beteiligten abgeklärt wird – und alle einverstanden sind. Auch insoweit sind die neuen Bestimmungen eine echte Erleichterung, weil nunmehr der Verwaltungsrat alleine bestimmt, wie die Gesellschafterversammlung abgehalten werden soll und vor allem nicht mehr auf das Einverständnis der anderen Beteiligten angewiesen ist.
Die neuen Bestimmungen gelten auch für die Hauptversammlung der norwegischen Aktiengesellschaft (Allmennaksjeselskap (ASA)). Durch eine weitere Verordnung wurden ähnliche Bestimmungen für die norwegischen Personengesellschaften erlassen.
Die neuen Bestimmungen gelten solange, wie das Coronagesetz Anwendung findet, also (zunächst) bis zum 27. April 2020.